Wir sind bereits einige Tage vor Ort und haben nahezu direkt den Anschluss an die reale Welt verloren. Hier auf der Insel Sal läuft die Uhr irgendwie anders. Klar, es gibt zwei Stunden Zeitverschiebung, aber das ist gar nicht gemeint. Man sagt hier: „Die Besucher aus dem Ausland haben die Uhren und die Kapverdeaner die Zeit.“
Was bisher geschah auf der Expedition in das Reich der Meeresströmungen…
Montag 11.11.2019
Von nun an trudeln alle Beteiligten in kleinen Fraktionen auf der Insel ein. Dies sind Philipp, Jona und Felix als flight crew der FH Aachen
sowie Burkard, Rüdiger und Henning vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht, dem Zentrum für Material- und Küstenforschung.
Es gibt reichlich mit den Behörden vor Ort bezüglich der Messflüge zu regeln. Die Erteilung der Genehmigungen konnte von zu Hause gebahnt werden, nach persönlichem Vorsprechen erfolgt sie erfreulicherweise auch. Allerdings geschieht das Ganze mit nicht unerheblichem bürokratischen Aufwand.
Samstag 16.11.2019
Der Seefracht-Container mit der Stemme wird am Flughafen abgeladen.
Nachdem von den Behörden noch am gleichen Tag der Zugriff auf den Inhalt erlaubt wird, kann der Container entladen und die Stemme aufgebaut werden.
Das Aufrüsten ist ein wenig aufwändiger als bei einem reinen Segelflugzeug.
Wie immer läuft das Aufrüsten nach dem Vier-Augen-Prinzip ab, schließlich wollen alle nicht nur in die Luft kommen, sondern auch im Ganzen wieder auf den Boden zurück.
Die Stemme bietet ein ungewöhnliches Bild im Hangar, üblicherweise stehen hier keine Flugzeuge mit K-Kennung.
Nahezu aufgerüstet und in offiziellem Outfit macht sie so richtig was her.
Sonntag 17.11.2019
Am nächsten Tag geht es weiter mit dem Aufbau. Bei der Spannweite kann sich die Stemme nicht verstecken.
Nun kommt die Luftfracht an und wird abgeladen. Die Kisten tragen wertvollen Inhalt, auch wenn sie vollkommen unspektakulär aussehen.
Eine Woche nach Eintreffen der ersten Beteiligten findet der Werkstattflug statt.
Dienstag 19.11.2019
Nach langem Warten wird der Zugriff auf das Messequipment am Nachmittag endlich vom Zoll freigegeben.
Mittwoch 20.11.2019
Somit kann der Anbau der Pods an die Flächen der Stemme am nächsten Tag erfolgen.
Das Unterbringen der Messtechnik in den Pods ist nochmal ein eigenes Thema.
Zu der Ausrüstung der Piloten und Techniker gehören für die Flüge neben den Fallschirmen und Rettungswesten sogenannte Überlebensanzüge. Falls ein Aussteigen aus dem Flugzeug nötig wird, sollen die Fallschirme das Landen im Wasser überhaupt erst ermöglichen. Die Schwimmwesten sollen dann genügend Auftrieb generieren, damit die unfreiwilligen Schwimmer auch nach längerer Zeit im Wasser nicht untergehen. Dazu müssen die Schwimmwesten manuell ausgelöst werden und dürfen sich nicht automatisch bei Kontakt mit Wasser entfalten. Sie wären in ihrer Wirkung behindert, wenn nicht erst der Fallschirm abgeschnallt wurde. Blöde Situation, wenn man bewußtlos ins Wasser fällt. Die Eintauchanzüge bieten vor allem Kälteschutz. Auch wenn das Wasser hier zum Schwimmen, Schnorcheln und Surfen eine wunderbar angenehme Temperatur von ungefähr 22°C hat, beträgt die sichere Überlebenszeit trotzdem nur einige Stunden. Um in dieser Zeit dann auch noch von einem Schiff geortet und gefunden zu werden, tragen sie zudem ein AIS (Automatisches Identifikationssystem) an der Schwimmweste, da es ein so ausgeklügeltes Rettungssystem, wie es bei uns in Deutschland vorgehalten wird (DGzRS), hier nicht gibt. Das Joint Rescue Coordination Center vor Ort ist über die Tätigkeiten informiert und hat ein Auge auf unsere Besatzung. Philipp schreibt jeden Tag eine Mail mit den Daten zum Fluggebiet und voraussichtlicher Start- und Landezeit.
Montag 18.11.2019
Seit heute sind Vivian und ich auf der Insel und haben auf dem Weg mit HilkAir-Erlebnisreisen schon viele Dinge gesehen.
Donnerstag 21.11.2019
Burkard und Philipp starten zu einem Flug auf die 200km westlich gelegene Insel São Vicente um dort im Hafen von Mindelo die Koordination der Aktion mit dem Forschungsschiff Meteor abzustimmen.
Auf São Vicente gibt es keinen Hallenplatz für die Stemme. Da der Wind hier ständig mit bis zu 70 km/h weht, so dass immer wieder eine Fläche an den Boden gedrückt wird, müssen andere Sicherungsmöglichkeiten etabliert werden.
Heute trifft Philipp (Köpi) auf Sal ein. Ab jetzt drehen sich immer zwei um, wenn einer gerufen wird.
Die Ernährung auf der Insel ist etwas einseitig. Fischesser befinden sich im Paradies.
Gemüse- und Fleischesser fallen hinten runter. Auf den Inseln Santiago und Fogo gibt es zwar ganz gute Bedingungen um Obst und Gemüse anzubauen, mit dem Ertrag können aber nicht alle Einwohner und schon gar nicht die Touristen der Kapverdischen Inseln versorgt werden. Auch gibt es nicht genügend Viehzucht um die Versorgung sicher zu stellen. Daher wird der allergrößte Anteil an Lebensmitteln importiert. Unsere Küche ist international, die Milch kommt aus den Niederlanden, die Marmelade aus Belgien, die Butter aus Spanien, Käse, Wurst und Rosinen aus Portugal und den Honig haben wir selbst von zu Hause eingeflogen.
Die weiteren Flüge mit der Stemme dienen primär der technischen Problemlösung zur Datenübertragung und Optimierung der Messtechnik.
Währenddessen beschäftigen Vivian und ich uns mit der direkten Erkundung des Wassers. Neben einfachen Schwimmrunden sind wir mit Brille, Schnorchel und Flossen unter Wasser unterwegs oder halten uns zum Wellenreiten auf dem Wasser auf.
Der Weg zum Strand ist nicht weit, das Wasser ist zum Greifen nahe. Zum Glück haben wir noch ein paar Tage Zeit zum Üben, denn meist spülen uns die Wellen doch vom Brett. Vor allem das Aufkommen im Wasser ist übungswürdig, da es gilt nicht auf den Steinen zu landen und vor allem nicht mit den Seeigeln in Kontakt zu treten. Deren Stacheln sind zahlreich, aus sprödem Kalzium und lassen sich nur mühsam wieder entfernen. Glück hat, wer mit nur einem Stachel im Zeh davon kommt.
Kleine Inselkunde:
Sal liegt im Atlantik westlich von Afrika auf Höhe Mauretanien / Senegal. Sie ist eine der fünfzehn größeren Inseln des Kapverdischen Archipels und circa 5000km von zu Hause entfernt. Neun der Inseln sind bewohnt und seit 1975 ist die República Cabo Verde unabhängig. Sal ist 30km lang und 12km breit und besteht vornehmlich aus Sand und Wüste. Sie trägt ihren Namen aufgrund des Salzabbaus, der früher hier stattgefunden hat.
Samstag 23.11.2019
Wir haben die Gelegenheit, die Insel ein wenig zu erkunden und sind dazu an die Stätte des ehemaligen Salzabbaus gefahren.
In sehr salzhaltigem Wasser zu schwimmen ist schon eine eigene Erfahrung, Schwimmbewegungen auszuführen ist dabei schwierig. Das Wasser trägt einen so gut, dass die Arme und Beine aktiv unter Wasser gebracht werden müssen.
Auf dem Weg in Richtung Salinas de Pedra de Lume halten wir an der westlichen Küste und genießen den Blick in die Bucht auf Höhe von Murdeira.
Auf dem Rückweg legen wir einen Stop am Kite-Surfer Hotspot Rifes da Parda ein und gönnen uns einen Kaffee mit Aussicht.
Montag 25.11.2019
Philipp (Köpi) steigt in seinen Hochsicherheitsflipflops die Treppe im Büro von Cabo Verde Express im freien Fall hinunter und schlägt sich seinen kleinen Zeh an.
Damit fällt vorerst das Tauchen aus, da er seinen Fuß nicht mehr schmerzfrei in die Flossen bringt. Vivian versorgt den kleinen Zeh zur Belustigung aller mit rosa Physio-Tape.
Burkard stellt uns seine 360° HD Virtual Reality Brille vor. Damit tauchen wir im Trockenen und müssen ganz schön aufpassen nicht vom Stuhl zu fallen. Bei schnellem Wechsel der Blickrichtung kann einem schon mal kodderig werden.
Im Appartement fällt zwischendrin auch mal der Strom aus. Dann kommt weder Wasser aus der Leitung, noch brennt das Licht und der Kühlschrank hält nur kalt, wenn die Tür nicht geöffnet wird. Das WLAN fällt auch aus, aber das funktioniert ohnehin nur rudimentär. Der Generator schafft es für Wasserdruck und Not-Beleuchtung zu sorgen. Stromausfall scheint nicht selten zu sein, da der im Innenhof neben dem Gasgrill stehende Generator zügig und von allein anspringt.
Dienstag 26.11.2019
Seit der Nacht ist Andrea vor Ort. Nun ist die Namibiatruppe wieder komplett. Nur Herr Iwanowski fehlt, er hat einfach keinen Reiseführer für diese Gegend geschrieben.
Was zum Mitschauen für alle:
Unter diesem Link können die Flüge der Stemme anhand des AIS angesehen werden. Wenn der Spot aktiviert ist, gibt er alle fünf Minuten ein Signal weiter.
Achtung, neuer Link, jetzt funktioniert es wieder!
http://share.findmespot.com/shared/faces/viewspots.jsp?glId=0HpdghCciiSBSUWuxFrLtN7I5G29op598
Unter diesem Link kann der Weg des Forschungsschiffs Meteor anhand dessen AIS nachverfolgt werden.
Und unter diesem Link findet sich ein wenig Erklärung zu unserem Treiben vor Ort.
Mittwoch 27.11.2019
Heute hat der erste richtige Aufzeichnungsflug stattgefunden. Die Stemme ist mit aller Technik an Bord entlang der Route, die die Meteor gefahren ist, auf und ab geflogen um mit den Kameras Temperatur- und Spektralaufzeichnungen anzufertigen. Diese Daten werden im Nachgang mit den Ergebnissen der Aufzeichnungen sowie der Wasserproben verglichen, die auf der Meteor aus den Schleppgefäßen in verschiedenen Tiefen entnommen wurden.
In der Zwischenzeit haben Vivian und ich den Ort Santa Maria erkundet. Es gibt nicht so richtig viel Großes zu sehen, die Kleinigkeiten zu entdecken lohnt sich dafür um so mehr.
Da es nur Weißbrot (egal in welcher Form, meist als süße mit Zimt gewürzte Brötchen) zu kaufen gibt, haben wir das Brot einfach selber gebacken. Im Supermarkt finden wir Weizen (als Auszugmehl oder manchmal sogar in einer teilweisen Vollkornvariante) zudem geröstetes Maismehl (Kamoka) und Maniokmehl.
Meist halten Vivian und ich uns im oder auf dem Wasser auf.
Mittlerweile fühlen wir uns schon ganz schön aufgehoben auf unseren Brettern, auch wenn uns mache Wellen noch erschrecken.
Heute sind die Sichten so, dass wir mit einfachem Blick vom Balkon die südlich gelegene Insel Boa Vista sehen können.
Und Vivian hat die erste Welle gestanden!
Ein für Nicht-Surfer ungewohnter Blick vom Brett zum Strand.
Der gleiche Blick von der Stemme aus an den Strand von Santa Maria mit dem bekannten Steg.
Freitag 29.11.2019
Die Fußgängerzone von Santa Maria morgens auf dem Weg zum Brötchen holen.
Zwischendrin gibt es Wäsche zu waschen, schließlich sind manche der Expeditionsteilnehmer fast sieben Wochen vor Ort. Da sind bei einem Aufgabegepäck von 20kg die Unterhosen schnell aufgebraucht. Am Flugplatz haben wir den Luxus einer Waschmaschine, Hauptsache das Laptop ist wasserfest.
Die Wäsche riecht nach dem Trocknen ein wenig nach Avgas.
Am Flugplatz gibt es natürlich noch mehr zu sehen. Die Stemme ist nicht das einzige Flugzeug, das hier landet und startet. Wie man sieht befindet sie sich aber in guter Gesellschaft.
Zwischendrin gilt es immer wieder die Meßsysteme einzurichten. Die Datenübertragung soll reibungslos ablaufen, alle Geräte optimal miteinander kommunizieren. Das bietet viel Potential für Stolpersteine.
Die Tage sind lang und enden häufig im Dunkeln.
Nach fünf bis sechs Stunden Flug in Vollzeug kann man auch schon mal etwas verknittert wirken und freut sich auf seltsame Stückchen Pizza mit Wurst und ein kühles Bier.
Ein heikles Thema, das sich jeden Tag aufs neue in die Gespräche einschleicht, ist die Harnausscheidung. Die Eintauchanzüge sind wasserdicht, ist ja auch der Sinn der Anzüge. Wenn kein Wasser rein geht, kommt natürlich auch nichts raus. Bei Flügen über mehrere Stunden zudem in einer Region in der aufgrund der Wärme viel getrunken wird, kann es durchaus passieren, dass die Blase drückt. Üblicherweise kommt bei Segelfliegern in solchen Situationen der Gefrierbeutel zum Einsatz, eben volllaufen lassen, zuknoten und beiseite legen. Das Vorgehen läuft bei männlichen Piloten meist unfallfrei, entfällt hier aber aufgrund der Eintauchanzüge. Da die Flüge zeitlich gut genutzt und nicht zum Zwecke des Wasserlassens unterbrochen werden sollen, müssen andere Maßnahmen der Akutentsorgung etabliert werden.
Also wurden vor Beginn der Aktion Urinalkondome für die Besatzung beschafft, die natürlich passgenau sitzen müssen, damit der Fluß in die richtige Richtung läuft. Dazu wurde die Schablone verschickt und sehr diskret von jeder Größe ein Karton geordert, damit die Größe zur Not noch variiert werden kann. Die Urinalkondome werden zur Nutzung an einen Ablaufbeutel angeschlossen, der am Bein auf Höhe der Wade fixiert wird. So kann man es während des Fluges plätschern lassen und nachher entsorgen und es steigt keiner mit gequältem Gesichtsausdruck aus dem Flugzeug um blitzartig um die nächste Ecke zu verschwinden.
Heute gibt es mal ein wenig Einblick in unsere WG:
Wir wohnen auf zwei Ebenen mit Dachterrasse und Balkon.
Das Panorama ist grandios. Im normalen Tagesablauf lässt es sich auf der Terrasse allerdings nicht aushalten, da es keinen Schatten gibt und die Sonne brennt. Auch in der Wohnung ist es warm, zum Abkühlen gehen wir dann mal eben hinten aus dem Haus zum Strand und direkt ins Wasser. Es lohnt sich nicht einmal ein Handtuch mitzunehmen, der Wind trocknet einen bzw. man steht schnell unter der Dusche.
Der Balkon dient primär der Surfbrettablage und den Rauchern.
In der Wohnung findet sich überall digitales Spielzeug, man muss schon aufpassen nicht über die Ladekabel zu stolpern.
Zudem ist es ratsam Türen und Fenster geschlossen zu halten, wenn keiner da oder es dunkel ist, da sonst der ganze Kram neue Besitzer findet. Im Gegensatz zu unserem Schuhwerk, das will sicher niemand haben.
Gemeinsame Zeit gibt es zum Frühstück und zum Abendbrot, dann ist der Tisch mit elf Personen belegt. In der Zwischenzeit geht jeder seinen Aufgaben nach.
Abendessen ausnahmsweise mal ohne Fisch.
Henning hat eine interessante Konstruktion gebaut um per Selbstauslöser das Photo machen zu können, damit die Truppe komplett abgelichtet werden kann.
Zu jedem Abspülen gibt es Diskussionen. Es geht nicht darum wer abspült oder abtrocknet und schon gar nicht darum wann und ob dies erfolgt. Die Diskussion ist deutlich tiefer reichend. Es geht um die Sache an sich und klärt doch nicht die wichtigen Details zu Fragen wie „Ist das Wasser zu heiß oder überhaupt heiß genug? Warum schäumt das Spüli nicht? Wird nachgespült und wenn ja wie -also unter laufendem Wasser oder stehendem Wasser- und ist dieses warm oder kalt?“.
Samstag 30.11.2019
Morgen ist der erste Advent. Man könnte meinen, dieses Szenario passe nicht in die Umgebung, in der wir uns gerade aufhalten. Weit gefehlt, die Fußgängerzone ist weihnachtlich geschmückt, in den Läden gibt es Sternchen, Weihnachtsmänner und beleuchtete Glitzerkugeln und die Palmen tragen Lichterketten. Einige der Leute fahren sogar mit Nikolausmützen auf dem Kopf mit ihrem Fahrrad durch die Gegend. Klar passen die Temperaturen und das Wetter nicht ins Schema, aber das macht nichts, „no stress“.
Im Dunkeln wirkt das alles noch viel besser.
Da der Ort, in dem wir wohnen, knapp 20km vom Flughafen entfernt liegt, sind wir jeden Tag mit dem Auto unterwegs. Auf dem Weg kommen wir an einer Tankstelle vorbei an der, seitdem wir hier sind, nicht einmal eine Änderung der Spritpreise angezeigt wurde. Das ist sehr verwirrend, da sich bei uns die Preise ja mehrmals am Tag ändern. Vielleicht ist auch nur die Anzeigetafel defekt, es wirkt aber nicht so.
Natürlich haben sich die Spritpreise, direkt nachdem ich über sie geschrieben habe, geändert und somit ist die Funktionsfähigkeit der Anzeige unbeeinträchtigt. Danach gab es aber keine Bewegung mehr in den Preisen bis ich nach Hause geflogen bin, sowohl auf Sal als auch auf den anderen Inseln.
Sonntag 01.12.2019
Gestern konnten Burkard, Marit, Rüdiger und Vivian am Nachmittag gen Nord-Osten der Insel fahren und die Haifischbucht in der Nähe von Pedra de Lume besuchen.
Friedlich schwimmen die Haie neugierig um die Unterschenkel der mutigen Besucher. Sie scheinen den Käseduft der Füsse anziehend zu finden und kommen bis auf Handbreite an einen heran. Für die größeren Haie, die bis zwei Meter lang sein können, muss man bis zum Bauch ins Wasser gehen. Sie sind eher scheu und ziehen sich schnell zurück, kommt man näher als fünf Meter in ihr Revier.
Neben den Zitronenhaien schwimmen viele Fischschwärme durch die Bucht.
Zudem lassen sich Seehasen finden.
Diese sind handzahm, außer man stört sie, dann spucken sie auch schon mal rote Abwehr-Farbe von sich.
Und die Seeigel lassen sich sogar auf die Hand nehmen. Sie führen ein koordinativ hoch anspruchsvolles Schauspiel mit ihren Stacheln aus, wenn sie nicht mehr in ihrer gewohnten Umgebung sind.
Vivian lässt sich nicht nur von dem Seestern begeistern.
Heute hatten wir als Mitbringsel in unserem Adventkalender einen Gecko in der Küche, der wahrscheinlich gestern in Philipps Rucksack aus der Halle in unsere Wohnung gereist ist. Er hat in der Nacht gute Dienste getan und sich als Mücken-Nascher geoutet.
Montag 02.12.2019
In der Nacht fliegt Andrea wieder nach Hause und am Mittag Vivian. Charlotte, Felix und ich machen uns per Flugzeug und Fähre über São Vicente auf nach Santo Antão um eine grüne Insel zu erkunden und in den Bergen wandern zu gehen.
Nach einigen Tagen digitaler Abstinenz folgt nun der Nachtrag zu unserer Inselerkundung:
Wir starten etwas verzögert gegen elf Uhr mit Binter Cabo Verde zu einem 45 Minuten dauernden völlig unspektakulären Flug.
Auf São Vicente bläst der Wind wie immer stramm. Freundlicherweise hat man hier bei Ausrichtung der Piste darauf Rücksicht genommen. Auf Sal hat die Stemme, stets schwer beladen, mit ordentlicher Seitenwindkomponente zu kämpfen.
Die ATR ist zügig unterwegs und verbindet nahezu zuverlässig verschiedene kapverdische Inseln miteinander.
Nach der Landung fahren wir mit dem Taxi zum Hafen und haben Zeit die Stadt Mindelo fußläufig ein wenig zu erkunden.
Der Eindruck ist ungewohnt städtisch, kein Wunder Mindelo hat gut 75000 Einwohner und ist die zweitgrößte Stadt der Kapverdischen Inseln.
Viele Häuser sind verziert, teils mit einfachen Mitteln. An diesem Haus zum Beispiel wurde das Bild an der Fassade durch Abschlagen des Putzes erzeugt. Es zeigt Cesária Évora.
Am nachhaltigsten (wenn auch nicht unbedingt positiv) beeindruckt, hat uns die laut schallende Weihnachtsmusik in der überall weihnachtlich geschmückten Stadt, die uns ungewollt noch einige Zeit in den Ohren geklungen hat.
Weiter geht es vom Hafen Porto Grande aus mit der Fähre nach Santo Antão. Die Überfahrt dauert eine Stunde und endet in Porto Novo.
In Porto Novo auf Santo Antão angekommen, geht es mit einem Aluguer (Sammeltaxi) weiter zu unserer Unterkunft für diesen Tag.
Wir fahren gut beladen ziemlich zügig und ständig hupend zu mehreren Destinationen im und um den Ort, um Waren einzusammeln oder abzugeben, Neuigkeiten auszutauschen, Bestellungen aufzunehmen oder Dinge zu tun, die wir nicht verstehen, bevor es den Berg hinauf in das Biosfera „Amor do dia“ geht.
Die von Süd nach Nord verlaufende Straße überrascht uns, sie ist nicht nur gut ausgebaut, sondern befindet sich auch in einem sehr gepflegten Zustand.
Der Landgasthof in der Cova de Paúl liegt fast mittig an der Verbindungsstraße von Porto Novo nach Ribeira Grande und ist somit bestens geeignet als Ausgangspunkt für unsere Wanderung.
Charlotte und Felix genießen den Abend und das Essen.
Ich ziehe mich derweil diskret in unser Dreierzimmer zurück und genieße anstelle dessen eine Migräneattacke mit vegetativer Begleitsymptomatik.
Dienstag 03.12.2019
Am nächsten Morgen ist alles wieder bestens.
Wir frühstücken Cachupa, einen Mais-Bohnen-Eintopf, das Nationalgericht der Kapverdeaner und machen uns gegen zehn Uhr auf den Weg.
Geplant war es früher loszukommen, hat aber nicht geklappt – no stress. Das wird uns nachher die Mittagspause kosten und ein paar Sorgen ob der beginnenden Dunkelheit aufblitzen lassen.
Entlang des sehr fruchtbaren Kraters der Cova do Paúl gehen wir noch durch reichlich Sonnenschein in die Ribeira do Paúl. Die Wolken fließen eindrucksvoll über den Hang in den Krater. Kein Wunder, dass unter diesen Bedingungen hier alles wächst wie’s Gewitter.
Der Rest des Weges wird feucht, die Wolken hängen tief und schwer.
Dabei ist es weiterhin warm und erstaunlich wenig schwül.
Der Wanderweg 101 ist gut ausgebaut und befestigt, auch wenn zwischendrin immer mal wieder Teile abgerutscht sind.
Ich freue mich sehr meine Wanderschuhe eingepackt zu haben und nicht in Sandalen unterwegs sein zu müssen. Diese Art von Ausflug hätte ich mir unter solchen Umständen auch verkniffen.
Wir treffen auf eine wunderbare Vegetation in Terrassenanbau mit Pflanzen, die ich nicht alle aus ihrem natürlichen Lebensumfeld kenne wie
Guaven,
Papaya,
Bananen,
Zuckerrohr, Orangen, Kokospalmen, Mango, Kaffee, Mais, Feigen- und Drachenbäume
und immer wieder auf Esel, Ziegen, Kühe, Schweine, Hühner und Hunde.
Nach ungefähr zweieinhalb Stunden treffen wir in Cabo de Ribeira, einem kleinen Örtchen, ein.
Damit hat die erste Bergab-Passage ein Ende. Wir entscheiden uns, weiter durch den gegenüberliegenden Hang und nicht entlang der Straße zur Cidade das Pombas, unserem Tagesziel, zu gehen und verzichten auf das Mittagessen, da die Zeit schneller verstreicht als wir gehen. Der weitere Weg ist weder gut ausgebaut noch so gut zu identifizieren wie die bisherige Strecke.
Häufig fragen wir bei Feldarbeitern mit Händen und Füßen nach ob wir die richtige Abzweigung gewählt haben und kehren auch schon mal um, wenn eine abschlägige Antwort zurück kommt. In diesem Bereich wird eher französisch gesprochen, das erleichtert uns die Kommunikation.
Man sieht der Gegend ihre portugiesische Vergangenheit an. Nicht nur die gepflasterten Straßen sind typisch gefertigt auch finden sich an den Hängen typische Wasserleitsysteme.
Zwischendrin treffen wir auf eine völlig abstruse Art von Café mitten auf dem Berg. Hier werden wir mit Wasser und frischem Guavensaft versorgt.
Jedes Fleckchen Erde wird für den Anbau genutzt und trägt auch.
Die Anlage der Felder in gemauerten Terrassen sorgt für entsprechende Bewässerung indem der höher gelegene Bereich langsam überläuft und die darunter liegende Terrasse mit Wasser versorgt.
Innerhalb der Felder selbst sorgt das Aufhäufen der Erde dafür, dass das Wasser um die Erde laufen kann und sich die Pflanzen mit dem versorgen was sie brauchen ohne dabei abzusaufen.
Den Lotuseffekt finden wir bei uns z.B. beim Liebfrauenmantel, hier sind die Blätter geringfügig größer und -mir zumindest- die Pflanze unbekannt.
Wir erreichen noch im Hellen die Straße und freuen uns darüber. So können wir unbeschwert den letzten Teil des Weges bis zum Hotel gehen.
Ich fühle mich als sei ich meinen ersten Marathon gelaufen, zumindest glaube ich dass es sich so anfühlt. Im Endeffekt haben wir mehr als 2000 Höhenmeter rauf und runter und irgendwie so 15 bis 20 km des Weges hinter uns gelassen und das in dem Zeitraum zwischen 10:15 Uhr und 17:45 Uhr also in 7,5 Stunden, strammes Programm. Zwischendrin habe ich mich durchaus gefragt, warum am Ende der Kraft noch so viel Strecke übrig ist. Allerdings habe ich die Frage direkt nach der Dusche wieder vergessen ohne sie beantwortet zu haben.
Nachdem wir unser Dreierzimmer im Hotel bezogen und alle ausgiebig die Dusche genutzt haben, gehen wir direkt am Meer essen. Das Meeresrauschen überwältigt uns, wir haben das Gefühl direkt in den Wellen zu sitzen und müssen deutlich lauter sprechen um die Bestellung aufzugeben und uns zu unterhalten.
Letztlich landen wir bei Suppe und Pizza, da alles andere, was wir gerne essen würden, gerade nicht verfügbar ist. Die Pizzareste füllen einen Standardkarton -ich habe nicht erwartet hier so etwas vorzufinden-, wir werden sie am nächsten Tag einfach als Reiseproviant nutzen.
Mittwoch 04.12.2019
Am nächsten Morgen starten wir sehr zeitig, da unser Aluguer um 07:00 Uhr an der Straße vor dem Hotel abfährt.
Glücklicherweise konnten wir die Hotelbelegschaft davon überzeugen uns bereits vor Beginn der offiziellen Zeit Zugang in den Frühstücksbereich zu gewähren und starten gestärkt in den Tag.
Auch diesmal erkunden wir erst den Ort, da noch einige Personen eingesammelt und jede Menge Aufträge abgearbeitet werden müssen.
Wir fahren an der Küste entlang und können den Sonnenaufgang genießen.
Alle Aluguer-Fahrer sind bestrebt zeitig am Hafen zu sein, somit müssen wir uns keine Gedanken darum machen zu spät anzukommen.
Der Grund ist, dass alle bei Ankunft der nächsten Fähre in guter Ausgangsposition stehen wollen um die neuen Gäste einladen zu können.
Andere Pizzen wurden nicht so liebevoll umsorgt und haben die Fährfahrt auch nicht so gut überstanden wie unsere.
Während der Fährfahrt können wir fliegende Fische beobachten. Delphine, Wale oder Schildkröten zeigen sich uns leider nicht, auch wenn wir wie auf der Hinfahrt darauf warten. Im Hafen angekommen fahren wir direkt mit einem Taxi zum Flughafen um einzuchecken. Wir hätten uns nicht so beeilen müssen, unser Flug ist verspätet.
Letztlich sitzen wir fünf Stunden wartend in der Abfertigungshalle, unterbrochen von einem Catering zu Mittag und stets von der Ungewissheit begleitet ob Verspätung hier auch Verspätung oder gleich Flugausfall heißt.
Donnerstag 05.12.2019
Der heutige Tag ist der erste freie Tag für die gesamte Gruppe.
Um die Seele baumeln zu lassen, haben wir uns für den ganzen Tag auf einem Segelboot einquartiert.
Die Angelei zieht sich durch alle Tage hier vor Ort. Wenn wir davon satt werden müssten, hätten wir allerdings schlechte Karten.
Zwischendrin machen wir an einer Mooring fest und gehen schwimmen und schnorcheln. Die Unterwasserwelt stellt sich ganz anders dar als am Strand.
Wir sind bester Stimmung und werden komplett verpflegt mit einem Mittagessen und Getränken jeglicher Art.
Wir nehmen das gesamte Boot in Beschlag, über und unter Deck und verbringen einen schönen lockeren Tag.
Zum Ende hin haben alle nicht nur reichlich Sonne getankt. Es wird ein wirklich lustiger Abend in unserer WG. Vor allem für Henning, er zieht anstelle der Zucchini seine Fingerkuppe über den Küchenhobel und bereichert uns um ein Blutbad. Macht nichts, wir sind ja medizinisch bestens ausgerüstet und können ihn versorgen.
Freitag 06.12.2019
Zum Nikolaustag dürfen wir eine Überraschung erleben: einen dieser ganz besonderen drei Tage im Jahr, die es hier regnet.
Es tropft in unser Zimmer, da wir in der Nacht die Dachluke nicht geschlossen haben und sich das Wasser auf dem Boden vor der Treppe gesammelt hat. Das ist aber nichts was sich nicht durch mehrere tiefe Teller auf dem Fußboden auffangen lässt.
Charlotte, Felix und Philipp (Köpi) fliegen nach Hause und freuen sich so ein wenig Schlaf nachholen zu können, damit sie morgen zur Weihnachtsfeier der FVA in Aachen wieder fit sind.
Samstag 07.12.2019
Kleiner Nachtrag zur Inselerkundung, die Fassadendekoration ist fertig.
Sonntag 08.12.2019
Heute ist der zweite Advent und die Sonne scheint wieder kräftig. Hinter dem Türchen zum Adventkalender habe ich tolle Wellen gefunden. Am Abend werde ich mal nachsehen ob die zweite Kerze brennt ähm Palme leuchtet.
Plötzlich kommt Bewegung in die Mission. Nachdem einige Aufzeichnungsflüge in circa 250km Entfernung nordöstlich von Sal erfolgreich durchgeführt werden konnten, soll ein weiteres Gebiet circa 120km südwestlich der Insel Fogo erkundet werden. Um die Bedingungen zu optimieren zieht der ganze Trupp auf die andere Insel um. Die Aufzeichnungszeit wäre ansonsten aufgrund der Reichweite der Stemme eingeschränkt. Das Forschungsschiff Meteor ist auf dem Weg in das Gebiet um in Abstimmung mit dem Forschungsflugzeug Mupp Daten aus dem Wasser zu generieren und somit das Auswertespektrum und die Genauigkeit zu erhöhen.
Montag 09.12.2019
Die ersten Beteiligten fahren mit den beiden voll beladenen Fahrzeugen heute auf die Fähre nach Santiago um dort in der Stadt Praia zu übernachten und morgen die Fähre weiter nach Fogo zu nehmen. Dazu wurde gestern das im Hangar gelagerte Equipment für die Flüge in die Aluboxen verpackt und verladen.
Da das Unterfangen einige Zeit in Anspruch nehmen wird, startet die Stemme dann übermorgen zu einem Messflug Richtung Fogo um im Anschluß dort zu landen. Ich bleibe zunächst hier vor Ort um zu helfen die Stemme in die Luft zu bringen und dann mit den beiden weiteren Expeditionsteilnehmern, die heute und morgen eintreffen werden, mit der Linie zu fliegen. Zum Ende werden alle ungefähr zeitgleich auf Fogo eintreffen, so der Plan.
Die LAN-Station wird ab- und in anderer Form auf Fogo wieder aufgebaut. Bisher ist sie in einem nahezu freistehenden Gebäude im nordöstlichen Teil von Santa Maria untergebracht, damit mit den speziellen Antennen die Kommunikation mit Flugzeug und Schiff und die Übertragung der Datenmassen in Abstimmung mit den Wissenschaftlern vor Ort erfolgen kann.
Wir werden im Westen der Insel Fogo direkt an der Küste in Cutelo De Açucar untergebracht sein.
Gestern Abend konnten wir noch eine interessante Wettererscheinung bewundern. Kurzzeitig war ein Ring um den Mond zu sehen, der durch die Brechung des Lichtes an zwei unterschiedlich dichten Luftschichten entsteht.
Plötzlich ist es so still hier. Die Fähre ist noch nicht ausgelaufen, aber außer Burkard, Philipp und mir ist keiner mehr vor Ort. Ich bin allein im Appartement, sitze am Tisch, schreibe Karten und nichts passiert. Nach drei Wochen WG-Leben mache ich mir jetzt mal das Radio an und lasse mich beschallen, irgendwie komisch.
Sollte ich tatsächlich jemals etwas von Ruhe und pünktlichen Fähren geschrieben haben, so hat mich die Wirklichkeit jetzt eingeholt. Die komplette Mannschaft ist wieder zurück, die Fähre ist nicht gefahren, der weitere Gang der Dinge ungewiß. Emil ist zwischenzeitlich auf Sal angekommen und abgeholt worden.
Mal sehen was noch so passiert. Wenigstens war ich ich noch im Wasser und habe ein paar Wellen mitgenommen.
Dienstag 10.12.2019
Wir haben jetzt eine abgespeckte Version des Umzugs nach Fogo geplant. Flüge waren zwar nicht für heute, dafür aber für alle Beteiligten für morgen zu haben. Da in der Standardverbindung nicht mehr genügend Plätze zur Verfügung standen, fliege ich direkt über Santiago nach Fogo, der andere Teil über Boa Vista nach Santiago und im Anschluß nach Fogo. Letztlich kommen wir somit mit dem gleichen Flug zur gleichen Zeit am Ziel an, soweit die Flüge denn dann auch stattfinden. Es kann nun nicht das Equipment mitgenommen werden, das zuvor auf den Autos verstaut war, so dass die großen und schweren Dinge sowie dangerous goods jetzt wieder im Hangar bei der Stemme untergebracht sind und all der andere Kram auf die Koffer der Beteiligten verteilt wird.
Auf der Suche nach Einkaufsmöglichkeiten sind wir per Zufall auf eine Boulangerie gestossen und konnten Baguette und Brot einkaufen.
Wir haben unsere Brötchen auf französisch bestellt. Und hier gibt es nicht nur Brot in der Auslage, wir haben sogar eine Tarte au citron erstanden, hmm…. Außerdem habe ich noch nicht so viele Fliegengitter auf einmal in einem Laden gesehen.
Natürlich wollten wir auch dieses Jahr nicht auf unsere Weihnachtskarten verzichten. Wir haben fleißig geschrieben und alle Karten vorsichtshalber direkt zum Postamt gebracht. Ob das allerdings den Transport beschleunigt, darf bei genauerem Hinsehen angezweifelt werden. Es sieht eher so aus als sei das Postamt eine Sammelstelle für allerlei Postkarten und andere Dinge.
Der surfende Weihnachtsmann sorgt für Unterhaltung auf dem Postamt.
Heute Abend essen wir zur Resteverwertung Pizza.
Mittwoch 11.12.2019
Ja, wir sind alle auf Fogo gelandet.
Burkard und Philipp sind die ersten auf der Insel und haben zuvor die Meteor getroffen.
Ob des kleinen Flugzeuges gibt es viel Wirbel am Flugplatz, alle müssen hin und einen Blick darauf werfen. Normalerweise landet hier ein- oder zweimal am Tag eine ATR und damit hat es sich.
Während des ersten Linien-Fluges von Sal nach Boa Vista war die ATR von Binter hauptsächlich mit Passagieren unserer Gruppe belegt.
Als ich dann – ohne den Umweg über Boa Vista – auf Santiago angekommen bin, waren alle anderen bereits da.
Am Aeroporto Internacional Nelson Mandela treffen wir eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Anstelle konservativ im heimischen Bielefeld verbringen sie sieben Wochen ihrer Elternzeit hier vor Ort und das mit einem ungefähr fünf Monate und einem ungefähr vier Jahre alten Jungen. Sie haben sich die Kapverden ausgesucht, da es noch viel Ursprüngliches zu entdecken gibt, es warm ist und sie sich hier als Familie gut und sicher aufgehoben fühlen. Sie möchten fünf der Inseln bereisen und wir können uns in der kurzen Zeit bereits herrlich über einzelne Gegebenheiten austauschen. Ich finde, dass sie sich einen großen Schritt zutrauen, der nicht nur gegangen werden will, sondern zu dem man auch die Kritik aushalten können muss, die einhergeht, wenn man mit so kleinen Kindern so weit reist. Das ist sehr mutig, genießt die gemeinsame Zeit!
Letztendlich haben wir es nach Fogo mit nur mit einer halben Stunde Verspätung geschafft, auch wenn es während des Wartens am Flughafen auf Santiago zwischendrin nicht so aussah als ob es überhaupt weiter gehen würde. Der Pilot auf der letzten Strecke hatte Spaß daran die Verspätung aufzuarbeiten und ist tief und schnell und mit ordentlich Schräglage um jede Ecke gedüst, also nicht so „komfortmäßig“ sondern eher echt fliegerisch.
Philipp kann das auch mit der Schräglage, man achte auf die Anzeigen der künstlichen Horizonte und das eigentliche Horizontbild.
Donnerstag 12.12.2019
Fogo ist gar keine Insel, Fogo ist ein Vulkan. Ja, ja, das eine schließt das andere nicht aus, ist schon klar, aber der Vulkan ist so allgegenwärtig, dass einfach alles Vulkan ist und nicht Insel wie anderswo. Zudem bedeutet Fogo Feuer und das sagt doch schon alles. Der Pico do Fogo ist einer der aktivsten Vulkane im Atlantik.
Die Tatsache, dass der letzte Ausbruch erst 2014 (11/14 – 02/15) stattgefunden hat, gibt mir ein wenig zu denken, aber gut, so ist es nun mal. Die Grundfarbe der Insel ist schwarz wegen der erkalteten Lava und darauf grün, da das Land sehr fruchtbar ist.
Begrüßt werden wir mit einem erfrischenden Glas Saft eigener Produktion.
Hier ist es warm und feucht und somit ist Fogo von vielen kleinen fliegenden Blutsaugern bewohnt. Aber wir haben ja vorgesorgt und können zumindest ruhig schlafen und außerdem wird so unser Vorrat an Repellentien auch mal wieder aufgemischt.
Meinen Lieblingsplatz habe ich sofort gefunden, in der Sonne ist es dort allerdings nur auf ein schnelles Tässchen Tee auszuhalten.
Der Ausblick ist dafür grandios und macht alles andere wett.
Der Strand ist schwarz, der Sand superweich und das Wasser warm. Wenn die Welle abläuft blubbert oder knistert es im Sand.
Ich habe nur so dagestanden und die Wellen genossen -zum Schwimmen ist die Strömung zu stark- und stand plötzlich fast bis zur Hüfte im Wasser und konnte die Strömung wirklich gut spüren. Das Wasser des Atlantik hat ein gewaltige Macht.
Während Burkard und Jona mit der Stemme unterwegs sind, steigen Emil, Henning, Philipp und ich in den Mietwagen und werfen einen näheren Blick auf den Vulkan. Der Krater ist riesig und obwohl wir drei Stunden unterwegs sind, erreichen wir nicht das Ende der befahrbaren Rundung.
Kein Wunder der Durchmesser der Caldera (kesselförmige Struktur vulkanischen Ursprungs) beträgt 9km.
Plötzlich endet die Straße und wir stehen an der Stelle, die vor dem letzten Ausbruch des Vulkans in das dortige Dorf geführt hat. Das Dorf gibt es nicht mehr.
Freitag 13.12.2019
Die Luftfracht mit technisch wichtigem Equipment für die Stemme ist nicht mitgeflogen, das schränkt unseren Handlungsspielraum ein. Zwei Koffer des Aufgabegepäcks sind bereits nachgeliefert worden, so dass wir Werkzeug vor Ort haben, aber Oel und Kühlwasser aus der Luftfracht fehlen. Jona und Philipp werden heute nach den Messflügen mit der Stemme nach Sal fliegen und morgen früh hoffentlich mit der fehlenden Ausrüstung zurückkommen.
Die Fliegen sind hier eine Herausforderung, auch wenn sie nicht stechen. Da kann man schon mal auf die Idee kommen zum ruhigen Essen in den klimatisierten Frühstücksraum ausweichen zu wollen.
Henning, Marit, Rüdiger und ich sind zu einer Rundfahrt um die Insel gestartet. Hier ist es deutlich grüner als auf Sal und wir finden einiges an Landwirtschaft. Ich war sogar in einer geschützten Bucht kurz schwimmen, herrlich.
Zur besonderen Freude von Marit treffen wir auf eine kaum zu überblickende Anzahl freundlicher Wegbegleiter, von denen man jederzeit das ungute Gefühl hat, sie könnten einem auf den Kopf fallen. Sie wohnen gerne zwischen den Telegraphenmasten oder spinnen ihre Netze zwischen Bananenstauden.
Zwischendrin findet sich immer wieder erkaltete Lava in vielfältigen Ausführungen.
Wir fahren weiter auf der Ringstraße, die auf verschiedenen Höhen verläuft, an der Küste entlang.
Zwischendrin halten wir an und gönnen uns einen Cafe, dabei werden wir Zeuge dessen was unsere Nasen seit Eintreffen auf der Insel vermuten. Außerhalb der Bar wird der Grill für das Abendessen angeheizt, dazu werden die Kunststofffolien verwendet mit denen nicht nur die Wasserflaschen umwickelt sind.
Als Jona und Philipp nach Sal starten wollen, stellt sich heraus, dass sich die Luftfracht mittlerweile auf Santiago befindet, somit ist der Flug vorerst gestrichen. Wir gehen gemeinsam essen und genießen Live-Musik mit Showeinlage.
Samstag 14.12.2019
Neuer Tag, neuer Plan. Heute morgen sollte die Luftfracht auf Fogo eintreffen, sie steht aber noch auf Santiago. Allmählich müssen wir darüber nachdenken Oel und Kühlflüssigkeit aufzufüllen. Noch sind die Stände im Limit, aber wenn wir nichts dazu geben, wird das nicht mehr lange so sein. Daher ist für heute oberstes Ziel Zugriff auf die Luftfracht mit all der Ausrüstung zu bekommen. Jona und Philipp sind mit der Stemme auf dem Weg nach Santiago, da die Kiste weiter dort stehen soll, mal sehen ob dem auch so ist. Leider fallen damit -anders als geplant- die Messflüge für heute aus .
Es ist unerträglich heiß heute mit 30°C und einer Luftfeuchtigkeit zum Anfassen. Ich bestehe nur noch aus Schweiß, das ist ganz schön anstrengend. Okay Schnee und Minustemperaturen brauche ich jetzt auch nicht, aber so richtig lustig ist der Zustand nicht.
Jona und Philipp finden das auch nicht lustig, da sie beide zusätzlich noch in den sea rescue protection suits stecken.
Dan ist heute morgen abgereist. Da er bisher keinen Messflug durchgeführt hat, ist Philipp mit ihm zu einem kurzen Demoflug gestartet. Es wirkte so als sei Dan auf Anhieb mit den technischen Herausforderungen klar gekommen und habe die zusätzlichen Eindrücke auch noch aufnehmen können.
Ich habe derweil den Arbeitsplatz von Jorge erkundet. Er ist der Supervisor of the Airport und stellt uns bereitwillig seine Zeit zur Verfügung. Eigentlich lebt und arbeitet er auf Santiago und ist derzeit zur Urlaubsvertretung auf Fogo. Ohne ihn wäre es nicht möglich mehrere Messflüge am Tag durchzuführen.
Auf Fogo treffen während der Saison zwei interkapverdische Linienflüge ein, einer am Morgen und einer am Nachmittag und zwischendrin wird der Flugplatz abgeschlossen, Flüge von außerhalb existieren nicht. Jorge kommt auch in den Pausen raus und öffnet den Flugplatz für uns. Die Flugfrequenz ist zwar deutlich anders als an den Flughäfen auf Sal oder Santiago, aber auch hier wird zudem ein hauptamtlicher Meteorologe beschäftigt. Als Supervisor ist Jorge für den Betrieb zuständig, das umfasst wie bei uns die Aufgabenbereiche Information, Kommunikation, Ausführung, Sicherheit, Administration und manchmal auch Fahrdienste. Er ist also der Chef des Flugplatzes.
Die Ausrüstung auf dem Turm ist die gleiche wie auf dem Turm am Hegenscheid, na gut bis auf die Klimaanlage.
Da vor Abflug der ATR von Binter noch einige Minuten Zeit bleiben, nutze ich die Gelegenheit die medizinische Ausrüstung der Stemme unter Echtzeitbedingungen zu testen.
Die medizinische Ausrüstung besteht aus den elektronischen Sauerstoffgeräten EDS für beide Sitzplätze sowie dem Pulsoxymeter an der Garmin vivoSmart4 am Handgelenk der Beteiligten.
Das elektronische Sauerstoffgerät appliziert auf Anforderung per Atemzug Sauerstoff über die Nasenkanüle. Setzt man mal einen Atemzug aus und hält die Luft an, fängt es an zu piepsen und warnt.
Anhand der Smartwatch kann die Sauerstoffsättigung im Blut näherungsweise festgestellt werden.
Um die Messungen durchzuführen müssen wir einen Flug sozusagen simulieren.
Fazit ist: läuft alles!
Jawoll, es hat funktioniert! Aus unerfindlichen Gründen hat sich eine unbeteiligte Person auf dem Flughafen auf Santiago erbarmt Jona und Philipp Zugriff auf die Luftfracht zu gewähren und die Kiste hat wirklich in Praia gestanden. Die beiden haben Oel und Kühlflüssigkeit mitgenommen und sind auf dem Weg zurück nach Fogo, so dass heute nun doch noch ein Messflug durchgeführt werden kann.
Der Turm am Flughafen ist mit einer Klimaanlage ausgerüstet, die ordentlich zu arbeiten hat. Weil der Abwasserschlauch leckt, tropft das Kondenswasser vor den Turm und sammelt sich zu einer nassen Stelle. Diese kleine Pfütze ist die Wasserquelle der in der Umgebung lebenden Bienen, die sich hier versammeln um Wasser aufzunehmen. Lokalen Honig habe ich noch nirgends gefunden, auch wenn ich in jedem Laden danach Ausschau gehalten habe. Hätte mich ja schon interessiert wie der so schmeckt.
Ich bin jeden Tag am Strand. Ist das nicht beeindruckend?
Brandung Fogo Strand
Sonntag 15.12.2019
Zurück auf Sal nach vollkommen unspektakulärer Reise, trotz zweier Flüge mit kurzer Umsteigezeit, bin ich erst einmal ins Wasser. Das Geräusch der Brandung wird mir fehlen, das weiß ich jetzt schon, allerdings ist Wasser ohne Naß wie auf Fogo auch nichts. Heißt, wenn ich immer nur das Möhrchen vor der Nase habe ohne reinbeißen zu können, also Meer ohne zu schwimmen, taucht das nicht. Rein ins Wasser, rauf aufs Surfbrett und schon ist die Welt in Ordnung, herrlich.
Im Anschluss bin ich noch in die Haifischbucht gefahren und habe einen Hobby-Meeresbiologen-Tag eingelegt mit Seesternen, Seehasen, Seeigeln, kleinen und großen Haien, jede Menge Fischen, Muscheln, Schnecken, Krebsen und Wasser. Schließlich habe ich gelernt, dass Kai auf hawaiianisch Ozean bedeutet, also wenn das nichts heißt…
Heute ist der dritte Advent, da darf die nächste Palme nicht fehlen.
Auf dem Rückweg von Fogo habe ich die Crew von Binter bequatscht. In gleicher Aufstellung ist diese von Fogo nach Santiago und von Santiago nach Sal geflogen. Weil ich keine Lust hatte durch die kaputtgeschrubbten oder wie auch immer hingerichteten Fenster zu schauen, habe ich nach dem Jump-Seat im Cockpit gefragt. Natürlich geht auch hier die Tür nicht auf für jemanden, der einfach mal fragt, aber ich durfte in die erste Reihe auf den Emergency-Seat mit klarem Fenster und nach der Landung zu einem Smalltalk zum Chef ins Cockpit. War aber echt small der talk, da wir diesmal die drei Meter vom Flugzeug zur Abfertigungshalle mit dem Bus gefahren wurden und alle Passagiere auf mich warten mussten.
Bisher ist sowohl der fliegerische als auch der technische Teil dieses Arbeitseinsatzes in Wort und Bild deutlich zu kurz gekommen. Da die Messflüge nun beendet sind, wird Philipp hoffentlich dazu kommen, den Blog mit einigen Details dieser Art zu füttern, sonst denken alle noch wir machen hier Urlaub.
Montag 16.12.2019
Der letzte Sonnenaufgang auf den Kapverden ist unspektakulär, weil wolkenverhangen. Der Koffer ist gepackt. Den Neopren muss Philipp mitbringen, der geht jetzt nochmal ins Wasser.
Auf dem Weg zum Flughafen halte ich kurz an der Post an um zu sehen ob unsere Weihnachtskarten den Absprung geschafft haben und „tara“ sie sind weg.
Wichtig zu wissen ist auch, dass die Hauptstrasse zum Flughafen nicht von Pferden mit Reitern betreten werden darf.
Am Flughafen steppt wie immer der Bär.
Am Flughafen treffe ich noch auf den Rest der Mannschaft, da die ATR aus Santiago gerade gelandet ist. Auch Jona und Philipp mit der Stemme kommen hinterher und ich habe Zeit mich von allen verabschieden zumal mein Flug verspätet ist. In der Nacht fliegt Burkard nach Hause.
Dienstag 17.12.2019
Die Pods sind bereits abgebaut und Henning und Rüdiger verstauen das technische Spielzeug in den Kisten.
Mittwoch 18.12.2019
Die Stemme wird von flugtauglich auf schwimmtauglich umgerüstet und im Container verstaut.
Donnerstag 19.12.2019
Wider Erwarten läuft die Zollbeschau völlig reibungslos. Plötzlich ist der Container versiegelt und kann die nächsten Tage zum Transport per Schiff weiter verladen werden.
Freitag 20.12.2019
Ein Tag zum Baden und Surfen. Und für alle, die noch nicht mit den Haifischen geschwommen sind, ist ein Besuch der shark bay fällig. Am Abend darf das Leih-Surfbrett zurück zur Hauskatze. Es hat zumindest den Eindruck gemacht, als habe eine Katze es besonders gern als Kratzbaum benutzt. Jetzt müssen die Jungs nur noch die Koffer packen. Das scheint allerdings eine Herausforderung, da von jedem eine Kleinigkeit in der WG geblieben ist und jede dieser Kleinigkeiten nun noch mit nach Hause soll.
Samstag 21.12.2019
Auch Jona und Philipp, als letzte Mohikaner, müssen irgendwann mal nach Hause. Die 737-800 von TUIfly soll das heute bewerkstelligen. Nach einem letzten Frühstück mit Meeresrauschen werden die gepackten Koffer verladen und der Mietwagen zurückgegeben.
Jetzt hilft nur noch einchecken und Abflug abwarten. Coole Sonnenaufgänge gibt es auch zu Hause.